Rede von Martias Habersaat: Erst denken, dann handeln – ernsthaft und politisch legitimiert!
28. Juni 2010 | Von Christoph Zabel | Kategorie: Meinung, Verschiedenes | Letzte Änderung: 28. Juni 2010 um 11:40 UhrGerade wenn die Lage so ernst ist wie im Moment, man sich sorgt und schon über mehrere Wochen lang kämpft, ist es denke ich wichtig, den Humor nicht zu verlieren. Daher habe ich einmal die Rede des Hochschulpolitischen Sprechers Martin Habersaat herausgesucht, die er am 17.6. im Landtag gehalten und die mich ziemlich erheitert hat.
In der Hoffnung, dass Sie auch Euch gefällt:
Kiel, 17.06.2010
Es gilt das gesprochene Wort!
Martin Habersaat:
Erst denken, dann handeln – ernsthaft und politisch legitimiert!
In Fortbildungsseminaren gibt es eine interessante Übung, die Kreativität und Denken in neue Richtungen fördern kann, vielleicht haben Sie schon einmal davon gehört: Man sammelt Ideen, um das Gegenteil dessen zu bewirken, was man eigentlich erreichen möchte. Zum Beispiel fragt man angehende Lehrer: „Was muss ich tun, damit niemand etwas lernt?“ Hinterher dreht man die Überlegungen dann um und hat eine gute Grundlage für künftiges Arbeiten.
Zu so einem Gedankenexperiment möchte ich meine fünf Minuten hier nutzen: Was muss man tun, um eine Hochschullandschaft kaputt zu machen und kaputt zu behalten?
Maßnahme 1: Rasur
Ich schaue, wo Erfolge und Leistungsstärken sind und rasiere dann die entsprechenden Bereiche.
Platz 1 in nationalen Rankings? Nobelpreisträger? Leibnitzpreise?
Schnell weg damit, sonst setzt sich der Erfolg noch fest!
Am besten, man untersagt Wachstum und Gut-Sein präventiv, wie Staatssekretärin Andreßen das mit Lübecker Initiativen gemacht hat.
Maßnahme 2: Amputation
Wenn ich mich nicht traue, ganze Einrichtungen sofort zu schließen, amputiere ich zunächst wichtige Teile.
Lübeck: Eine der besten medizinischen Fakultäten Deutschlands soll geschlossen werden, die Uni Lübeck 1.100 von 2.600 Studenten verlieren, auf Ausgründungen und Drittmittel soll künftig verzichtet werden. (Um den Effekt zu erhöhen, könnte man im Koalitionsvertrag behaupten, seine „Entscheidungen hierzu in Abstimmung mit der Universität Lübeck insbesondere auf das Ziel ausrichten, die künftige Entwicklung dieser Universität finanziell und strukturell besser abzusichern“, FDP und CDU tun das auf S.29), und man könnte bis kurz vor Toresschluss Kappungspläne leugnen. Und noch eine schaurig-schöne Randnote: Während die Einen meinen, wegen der guten Arbeit der Uni Lübeck komme das Fraunhofer Institut, stellt die Regierung fest, wegen des Kommens des Fraunhofer Instituts die Arbeit der Uni beenden zu können.
In Flensburg werden mit den Wirtschaftswissenschaften 800 Studienplätze und der Teil mit den Ausgründungen und den Drittmitteln dichtgemacht, in Kiel wird das Exzellenzcluster „Entzündungen an Grenzflächen“ durch Wegfall des Partners gefährdet, frei werdende Stellen werden blockiert werden müssen, um Einsparpotentiale auch wirklich zu realisieren. Für diesen Teil der Strategie hat der zuständige Minister das Wort von den „sektoralen Einschnitten“ erfunden. Wer einen sektoralen Schnitt setzen will, sollte als Werkzeug aber nicht den Bulldozer wählen!
Maßnahme 3: Helfer abschrecken
Damit niemand von Außen zu Hilfe eilt, muss ich natürlich auch Auswärtige abschrecken: Beispiel Universitätsrat – ich stelle ein Team von hochrangigen auswärtigen Professoren und Wissenschaftsexperten zusammen, im ganzen Land anerkannt und vernetzt, ignoriere dessen Vorschläge und zerschlage dann das Hochschulsystem, ohne diese Experten noch einmal anzuhören. Zynisch könnte ich dann noch nachtreten. Ich gestehe, diese Idee stammt eigentlich nicht von mir, sondern von Frau Funke, die sagte, der Rücktritt des Rates sei für sie nicht nachvollziehbar, und den Experten nachrief „gerade jetzt wäre ihre Unterstützung für die Hochschullandschaft Schleswig-Holsteins außerordentlich hilfreich“.
(Skurrile Idee: Ich schlage einem Freund ins Gesicht und beklage dann, dass er gerade dann geht, wenn Leute geschlagen werden.)
Beispiel Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen: Ich bestelle bei einem unabhängigen Expertengremium erst ein Gutachten für die Entwicklung der Universität Flensburg, warte dann mit meinen Entscheidungen dessen Ergebnis nicht ab und habe weitere Hochschulexperten vor den Kopf gestoßen.
Gut im Sinne unseres Gedankenexperiments: Damit wird dann auch gleich die Reputation des Landes als Wissenschaftsraum zerstört.
Die Maßnahmen 4, 5 usw. könnten folgen, aber dafür reicht die Zeit leider nicht.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP: Sie haben jetzt Kreativität angeregt und Denkprozesse angestoßen. Jetzt ist dann Umdrehen gefragt, wenn man nicht wirklich nachhaltig Schaden anrichten will.
Aus unserer Sicht stellen sich für die Zukunft unserer Hochschullandschaft vier Fragen:
1) Was wollen wir wissenschaftspolitisch?
2) Was wollen wir gesellschaftspolitisch?
3) Was wollen wir regionalpolitisch?
4) Was wollen wir finanzpolitisch?
Diese Fragen müssen wir gemeinsam und ernsthaft debattieren. Nachdem die Haushaltsstrukturkommission von Sachkenntnis unbeschwert ihre Vorschläge unterbreitet hat, ist es jetzt an der Zeit, ernsthaft und politisch legitimiert zu beraten!
Alle Anträge haben im Kern gemeinsam, dass jetzt erst gedacht und dann gehandelt werden soll, deshalb sind alle zustimmungsfähig. Wenn Frau Schavan jetzt auch noch mitdenkt – umso besser!
Aber zunächst: Umdrehen! Einhalten! Nachdenken!