Der Landesrechnungshof stimmt zu
8. Juli 2010 | Von Lukas Ruge | Kategorie: Reaktionen | Letzte Änderung: 8. Juli 2010 um 20:24 UhrAm 14.01.2010 hat die Arbeitsgruppe “Haushaltsprüfung” des Finanzausschusses den Landesrechnungshof von Schleswig-Holstein um eine Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob Schleswig Holstein zu viele Medizinstudienplätze habe. Die Antwort des Landesrechnungshofes kam am 01.07.2010 und wurde in der nichtöffentlichen Sitzung der AG Haushaltsprüfung besprochen. Das Dokument ist – wie alles aus dieser Arbeitsgruppe – nicht öffentlich, liegt Lübeck Kämpft aber vor.
Der Landesrechnungshof ist, zumindest theoretisch, eine unabhängige Institution. Ihr Präsident, Aloys Altmann, war allerdings in die Beratungen der Haushaltsstrukturkommision eingebunden und hat dort seine Unabhängigkeit klar eingebüßt. Er versucht nun, zurückzurudern, wie u.a. zuletzt im Schleswig-Holstein-Magazin zu sehen. Jost de Jager ist, so berichtet die LN, verärgert darüber, fühle sich vom Landesrechnungshofchef hintergangen.
Wie das alternative Sparkonzept der Universität zu Lübeck bezieht sich auch der Landesrechnungshof auf die Erichsen-Kommission von 2003. Dieser folgend, kommt sie zu dem Schluss, dass es in Schleswig Holstein mehr Studienplätze gibt, als Kapazität der Hochschulen oder Finanzierung durch das Land zulassen. Gerade in den klinischen Semestern gäbe es weit mehr Studienplätze als empfohlen.
Die Landesregierung hat die Empfehlungen (der Erichsen-Kommission) nur teilweise umgesetzt. Die Vorklinischen Studienplätze (1.-4. Semesteter) sind zwar deutlich veringert worden, die klinischen (5.-10.-Fachsemester) aber nicht.
Die Gründe für die unterschiedliche Aufnahmekapazität im vorklinischen und im klinischen Abschnitt liegen im Kapazitäts- und Zulassungsrecht für den Medizinstudiengang. [...] Es gilt überall das selbe Kapazitätsrecht.
Der Landesrechnungshof geht auf die Problematik des Kapazitätsrechts ein, die auch der alternative Sparvorschlag aufgreift. In diesem Zusammenhang erklärt der LRH deutlich, dass der Sparvorschlag der Landesregierung nicht realistisch ist. Bleibe das UKSH ein Universitätsklinikum, egal ob in privater oder öffentlicher Hand, so bemisst sich die Menge an Studenten in den klinischen Semestern an der Bettenzahl des Krankenhauses. Sollte also die Medizineruasbildung in Lübeck geschlossen werden, müssten, da das UKSH die Studentenzahlen im Fach Medizin in Schleswig-Holstein durch die Anzahl seiner Betten vorgibt, alle Mediziner (und zwar genauso viele wie jetzt an beiden Standorten) in Kiel studieren. Die Kosten für die Studenten würden sich also nicht verringern, sie würden lediglich nach Kiel verlagert.
Deutlich wird diese Kostenverlagerung auch dann, wenn man bedenkt, dass 80% der Kosten Personalkosten sind, wie Kanzler Grundei und Präsident Dominiak in ihrer Pressekonferenz am 06. Juli noch einmal klarstellten. Ein großer Anteil des Personals sind Beamte oder Angestellte mit unbefristeten Arbeitsverträgen. Alle frei werdenden Stellen in Kiel müssten mit diesen, sicher unzufriedenen, Lübeckern besetzt werden. Nicht nur reduziert man dadurch keine Kosten, die Arbeitsmoral und Stimmung an einem Ort, wo viele der Mitarbeiter gar nicht sein wollen, wäre destruktiv..
Um diese Katastrophe für den Campus Kiel zu vermeiden gäbe es zwei Möglichkeiten: Das UKSH müsste erheblich verkleinert werden, auf 1800 anstelle von 2329 Betten. Das ist politisch nicht gewollt und wäre ein schwerer Schlag für das UKSH. Die andere Möglichkeit ist eine Änderung des Kapazitätsrechtes, wie es auch der Plan der Uni Lübeck vorsieht.
Konkret heißt es:
Das Ziel (der Anpassung von klinischen an vorklinische Semester) sei nur erreichbar wenn [...] das Bundesweit geltende Kapazitätsrecht geändert würde [oder] für den klinischen Studienabschnitt die Stellen für das wissenschaftliche Personal so im Haushalt veranschlagt werden, dass nur 340 Studierende aufgenommen werden können. Auf diesen Stellen beschäftigtes Personal hätte Aufgaben in Lehre, Forschung und Krankenversorgung wahrzunehmen. Es wäre weiterhin Landespersonal. Darüber hinaus im Klinikum benötigte Ärzte dürfen nur für Zwecke der Krankenversorgung beschäftigt werden. Sie müssen im Klinikum eingestellt werden.
Dies entspricht exakt den Vorstellungen des alternativen Sparkonzepts der Universität zu Lübeck. Der Landesrechnungshof sieht dies also als realistische Lösung.
bezüglich einer solchen Veränderung befürchtete das UKSH in einer Stellungnahme am 01.07.2010:
Die Trennung zwischen Universitätspersonal mit Aufgaben in Forschung und Lehre sowie reinem Klinikpersonal ist nicht sinnvoll, da sie die Möglichkeiten der wissenschaftlichen Qualifikation begrenzt und die wesentlichen Voraussetzungen für die Ausbildung von Hochschulmedizinern verhindert. Es ist geradezu ein Markenzeichen des UK S-H, dass die Forschung direkt in die Krankenversorgung einfließt. Wer hier trennt, schadet den Patienten.
Tatsächlich sollen alle Lehrenden in der Krankenversorgung bleiben, die Befürchtungen sind unbegründet.
Weiterhin kritisiert der LRH, das keine konkreten Zeilen von der Politik festgelegt werden und keine nutzbaren Kennzahlen oder bewertbare Vorhaben getroffen werden. Dies ist ein klarer Schlag gegen die Politik von Jost de Jager und seinem Ministerium. Nicht einmal der Landesrechnungshof versteht seine Politik.
Dem Finanzausschuss gehören an:
- Peter Sönnichsen (CDU) (Vorsitzender)
- Abg. Johannes Callsen (CDU)
- Abg. Astrid Damerow (CDU)
- Abg. Tobias Koch (CDU)
- Abg. Hans Hinrich Neve (CDU)
- Abg. Birgit Herdejürgen (SPD)
- Abg. Olaf Schulze (SPD)
- Abg. Jürgen Weber (SPD)
- Abg. Katharina Loedige (FDP)
- Abg. Oliver Kumbartzky (FDP)
- Abg. Monika Heinold (B 90/GRÜNE) (stv. Vorsitzende)
- Abg. Ulrich Schippels (DIE LINKE)
- Abg. Lars Harms (SSW)
An dieser Stelle ist der Verweis auf die “Bemerkungen 2009 des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein
mit Bericht zur Landeshaushaltsrechnung 2007″, Seite 143ff. passend. Der Landesrechnungshof schreibt unmissverständlich: “Das Land muss sich entscheiden, ob es die Vorschläge der Erichsen-Kommission umsetzen will oder nicht.” (S. 148). Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, aus welchen Beweggründen sich der Präsident des unabhängigen Landesrechnungshofes durch die Teilnahme an den Beratungen der Haushaltsstrukturkommission vor den Karren der Landesregierung spannen ließ – und anscheinlich zeitweise die eigenen Empfehlungen vergaß.