Woche 3 – Kämpfen, Lübeck! Kämpfen!

14. Juni 2010 | Von Susanne | Kategorie: Featured article | Letzte Änderung: 15. Juni 2010 um 08:50 Uhr

Lübeck wird gelb und gelber: Das Zentralklinikum ist plakatiert, alle Orte, an denen sich Studenten aufhalten sowieso. Stück für Stück füllt sich auch die Stadt mit gelben Plakaten, aufgehängten Flyern und Trägern von gelben Shirts – so soll es sein! Bürgermeister Saxe hat es gefordert und die Lübecker stehen eng beisammen.

Am Montag gingen die Exilvorlesungen in die nächste Runde: Einen Schritt weiter, eine Spur größer – dieses Mal in der Bundeshauptstadt Berlin. Bereits um 8 Uhr trafen sich die Studententouristen am AudiMax und wurden per Bus zu ihren Vorlesungen gebracht. Diese wurden von den Professoren Cor de Wit („Sauerstoffversorgung und Durchblutung – In der Not hilft nur Druck“), Johannes Knobloch („Interaktion zwischen Medizin und Medizintechnik – Das Böse sichtbar machen“) und Barbara Wollenberg („Palliativmedizin – Totgesagte leben länger“) gehalten. Dabei wurden nicht nur die Mediziner angesprochen, auch die mitgereisten Studenten der TNF konnten sich über eine zumeist allgemeinverständliche Sprache der Dozenten freuen. Doch auch die Inhalte waren nicht rein medizinisch, sondern deutlich an die aktuelle Situation angelehnt, was die Hörerschar teilweise zu frenetischem Jubel animierte – auch so können Vorlesungen sein! Anschließend wurde noch ein neuer Demo-Song einstudiert, ehe es vom Tierpark aus, vorbei am Sony-Center zur Schleswig-Holsteinischen Landesvertretung ging. Dort selbst mussten die Demonstranten jedoch Ruhe bewahren, die Regierungsgebäude befinden sich in einer streikfreien Bannmeile. Doch das fröhliche Pfeifen von Liedern konnte und wollte keiner unterbinden und so wurde der neu einstudierte Song zum stillen Protest der 400 Reisenden umfunktioniert. Dies brachte dann auch die gewünschten Zuhörer vor die Landesvertretung: PHC und Jost de Jager stellten sich der Meute, gemeinsam mit einem offensichtlich vorbereiteten Graphen, der die Pro-Kopf-Verschuldung erläutern sollte. Doch das restliche Auftreten war altbekannt: Ausweichende oder gar keine Antworten auf Fragen – Politiker eben. Dennoch war die Laune auf der Rückfahrt gut, hatte man doch in der Hauptstadt ein Zeichen setzen können.

In der Zwischenzeit hatten die zu Hause gebliebenen den Kopierer wieder zum Glühen gebracht und sich den Mund fusslig geredet. Denn nicht nur auf der Lübeck-Kämpft-Seite erinnert nun ein Countdown daran, dass die Demo immer näher rückt. Alle Beteiligten haben eben diesen Countdown im Kopf, der beständig tickt. Denn: Alles was wir jetzt tun, gilt!

Der Dienstag begann mit einem kleinen Rückschlag: Der geplante Shirt-Verkauf musste verschoben werden, die Lieferung der stark nachgefragten Stücke sollte sich verzögern. Der geplante Verkaufsbeginn hätte am Mittwoch sein sollen, im Rahmen des Transpi-Workshops vor dem AudiMax. Doch auch ohne Merchandising wurde dieser zu einem riesigen Erfolg! Über den ganzen Nachmittag verteilt waren kreative Köpfe am Werk, gestalteten Flaggen und Banner und entwarfen den Behang für den Demotruck. Ein tolles Bild gaben die fertigen Exemplare ab, die zum trocknen auf dem kleinen Wall vor dem Hörsaalgebäude ausgelegt wurden: „Ihr tretet die Bildung mit Füßen – wir fordern Rücktritt“ war dort zu lesen, neben einem Sparschwein mit Carstensen-Kopf und der Frage „Zu viel PHC geraucht?“ Von ernst, über lustig, bis sarkastisch war alles vertreten und eine gewisse Vorfreude auf das Hissen der Banner auf der Demo war spürbar.

Am Donnerstag ein erster Lichtblick von der Merchandise-Front: Die Pins und Buttons waren endlich eingetrudelt – und fanden schnell reißenden Absatz. Auch die frohe Botschaft war durchgesickert, dass nun doch ein Sonderzug nach Kiel fahren sollte. Prof. Rolf Hilgenfeld, der Chef der Biochemie, hatte diesen bestellt und somit für weitere 1200 Transport-Plätze gesorgt. Passend dazu bereitete die EDV der Orga-Gruppe alles vor, um eine Online-Anmeldung für die verschiedenen Transportmittel zu ermöglichen.

Am Abend endlich noch einmal die Möglichkeit für alle Kämpfer, durchzuatmen. Das jährliche Sommerfest stand an und auch wenn es ein fröhliches Beisammensein werden sollte konnte das Thema der Themen natürlich nicht ganz ausgeblendet werden. Die Fachschaften der TNF hatten eine Menschenkette geplant, von der sich keiner ausnehmen durfte. Diese reichte weit um das AudiMax herum und gipfelte darin, dass sich alle an der Front des Gebäudes wieder trafen, wo jeder eine Hand an die Glasfassade legte: „Wir halten an unserer Uni fest“ stand auf dem Banner in der Mitte – die Symbolik musste einfach ankommen! Weitere Banner wurden im Laufe des Abends noch gestaltet und auch der Truck-Schmuck wurde komplettiert: Jetzt steht dort unser Slogan „Lübeck kämpft für seine Uni“ in allen erdenklichen Sprachen und Schriftzeichen. Ebenfalls auf dem Fest war Prof. Hilgenfeld, der die Fahrkarten für seinen Zug verkaufte und kräftig die Werbetrommel rührte. Insgesamt war der Abend entspannt. Auf der Hüpfburg konnten alle wieder zum Kind werden und auch wer nicht hüpfte, fand nette Gesellschaft. Der Abend endete mit der Openair-Vorführung von „13 Semester“. Ein schöner und gelungener Abend und Grund genug, weiter für eine Uni zu kämpfen, in der man auf so persönlicher Ebene beisammen sein kann.

Etwas untergegangen war am Donnerstag der halbjährliche Bildungsstreik – auch wenn dieser in anderer Form in Lübeck derzeit an allen Ecken und Enden tobt. Julien Beck vom AStA war dem Ruf der Flensburger Studierendenschaft gefolgt, die zu einer Vollversammlung geladen hatten. Er überbrachte Grußworte und bekam unverhofft hohen Besuch. Nebenan war ein Richtfest, auf dem Jost de Jager geladen war. Dieser profilierte sich demnächst wieder mit dem standardisierten Politiker-Geplänkel, ehe im Rohbau des (30 Millionen Euro teuren) Gebäudes das Mikrophon an Julien gereicht wurde. In einer – zumindest von den Studenten – umjubelten Ansprache konnte Julien de Jager mit unseren Vorwürfen konfrontieren, fand aber wenig Gegenliebe und leider wahrscheinlich auch nicht das erhoffte Gehör.

Am Freitag waren sie endlich da: Die begehrten T-Shirts in honey-yellow, die das gelbe Stadtbild nur noch komplettieren konnten. Und ein einzelnes Shirt, dessen Träger ein Mittagessen in der Mensa einnehmen wollte, reichte aus, um den Run auf das AStA-Büro zu eröffnen. Kurzerhand wurden die Kisten mit dem begehrten Inhalt auf dem Hof ausgebreitet, wo man probieren und aussuchen konnte, ehe man zum Bezahlen ins Gebäude musste. Jeder Käufer bekam eine farblich abgestimmte Trillerpfeife geschenkt, was oft zu großer Freude und (nicht immer lieblichen) Pfeifkonzerten führte.

Gerade noch rechtzeitig kamen einige Shirts am ZOB an, wo Busse auf Passagiere nach Kiel warteten. Dorthin hatten Bürgermeister Bernd Saxe und die Bürgerschaft geladen, um eine öffentliche Sitzung direkt vor dem Landeshaus abzuhalten. Alle Fraktionen der Bürgerschaft, Bürgermeister Saxe und Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer äußerten einhellig, wie wichtig es für die Stadt und Region Lübeck sei, dass die Universität erhalten bleibt. Unterbrochen wurde die Sitzung von einem als Tod verkleideten Zuhörer, der zwischen Bühne und Auditorium rannte und unter lautem Jubel der Umstehenden von Trägern gelber Shirts niedergerungen wurde. Generell ernteten die Redner viel Applaus, so auch Saxe, der von einem Kamingespräch mit Carstensen berichtete, in dem er dem Ministerpräsidenten bereits gesagt habe, wenn die Regierung eine Hand an die Uni lege, werde die ganze Stadt aufstehen, wie ein Mann oder eine Frau. Die Sitzung gipfelte darin, dass die Bürgerschaft einstimmig einem Appell zustimmte, der die Regierung noch einmal zum Umdenken aufrütteln sollte.

Außerdem wurde im Laufe des Tages das Vorprogramm der Demo bekannt gegeben. Da so viele Menschen nach Kiel gebracht werden müssen, hatte sich das Orga-Team schon früh darauf verständigt, dass es ab 10 Uhr ein Unterhaltungsprogramm für die ersten vor Ort geben müsse. Dieses besteht nun aus der Percussion-Gruppe der Thomas-Mann-Schule, einem Ensemble des Lübecker Theaters, sowie DJ und Rockbands. Es lohnt sich also allemal, früher zu fahren!

Am Wochenende zunächst das gleiche Bild wie an den Tagen zuvor. Nach wie vor war der AStA Anlaufstelle Nummer eins, was den Kauf von Demo-Schmuck und das Abholen von Postern und Flyern anging. Auch in der Innenstadt war wieder ein Infostand aufgebaut, in dem noch einmal die Bürger der Stadt zum Mitfahren zur Demo animiert werden sollten – kurz Entschlossene konnten auch gleich eine Fahrkarte für den Zug kaufen.

Zur gleichen Zeit fand in Hamburg die Mitgliederversammlung der Bundesvertretung der Medizinstudenten in Deutschland (bvmd) statt. Dort wurde ein Positionspapier zur geplanten Schließung der Universität ausgearbeitet, das die Entscheidung der Regierung aufs Schärfste kritisierte. Am Ende fanden sich alle zu einem Foto zusammen – ganz in gelb und alle kämpfen mit!

Eine kleine Neuerung gab es noch am Sonntagabend, als Präsident Dominiak die Presseerklärung eines Treffens in Bargteheide veröffentlichte, bei dem außer ihm noch Carstensen, de Jager, Wiegard, Grundei und Saxe teilgenommen hatten. Der Bericht war weitgehend unkommentiert, lediglich eine gewisse Zuversicht auf weitere Verhandlungen lies Dominiak durchscheinen.

Diese Zuversicht muss jetzt nur noch in die nächste Woche gerettet werden, denn dann gilt es: Das gelbe Lübeck muss ins schwarz-gelbe Kiel und Fakten schaffen!

Lübeck kämpft: Die ersten Wochen from Lukas Ruge on Vimeo.

5 Kommentare
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  1. Also, ick find des klasse was da für Reaktionen und Aktionen geplant sind und unterstütze dies. Es is ne Sauerei, was diese Vollpfostenpolitik in Deutschland alles fertig bringt. Die aktuell regierende Generation alter Schwachköpfe steuert Bund und Land in den Ruin – und zwar mit Volldampf. Und keiner sieht es. Muss denn IMMER erst was großes passieren, bis endlich jemand aufsteht?

    Allerdings, jetzt mal ehrlich: Ich glaube (hoffe es aber!), dass die Aktionen nicht fruchten werden. Dafür sind die Politiker zu dumm, die Wahrheit zu akzeptieren.

  2. Weltklasse! Ist eine wirklich prima Slideshow geworden. Im Gegensatz zu Patrik bin ich sehr wohl der Meinung, dass diese Aktionen sehr viel bewirken.Schaut doch was wir in nur knapp 3 Wochen schon alles erreicht haben. Wenn es in diesem Tempo weitergeht….huiuiui daran mag ich vor lauter Vorfreude gar nicht denken:-) Unsere “Studi-PR” Abteilung ist auf jeden Fall aller erste Sahne!

  3. Ich will ja hier keine Zweifel aufkommen lassen, aber: Als die das beschlossen haben sind die doch sicher davon ausgegangen, dass es Proteste geben wird. Wenn ich einen Tante-Emma-Laden (sorry für den Vergleich, ist natürlich hier kein Tante-Emma-Laden, aber nur für die Veranschaulichung) schließen möchte, dann denke ich ja auch nicht, dass die ganz friedlich ihre Sachen packen und ausziehen … sondern die werden heulen, jammern, schreien, protestieren, alles versuchen um das anzuwenden. Wird mich das davon abhalten diesen Tante-Emma-Laden zu schließen? Ich fürchte Erfolg haben wir wirklich nur wenn wir es schaffen, dass sie sich unsere Argumente wirklich mal durch den Kopf gehen lassen und einsehen, dass es einfach unvernünftig ist. Aber rein durch Masse oder Lautstärke werden wir es wohl nicht schaffen … aber stimmt schon, wo keine Masse ist werden die Argumente wohl auch nicht gehört. Naja, alles ein schwieriges Thema … ich hoffe jedenfalls, dass wir was bewirken können, heute in Kiel!!! Ich drück uns die Daumen :)

  4. Hey!

    Ich drücke euch die Daumen für die Demo heute! Auf das die medizinische Fakultät lebt!

    John

  5. Klar schaffen wir es!! Wir werden um die eine Stimme im Landtag kämpfen. Wir haben bei uns im Betrieb über Hundert Unterschriften gesammelt, ich trage auf dem Rennrad unser Logo spazieren und habe die Abgeordneten angeschrieben aus meinem Wahlkreis. Die können doch nicht eine der besten Unis platt machen. Da muss es doch andere Lösungen geben, zumal die ganze Region stirbt, 30% aller Betriebe werden Lübeck verlassen. Aber so einfach wird Party Harry seine Millionen nicht bekommen, auf Kosten von Lübeck. Gekämpft wird ja an vielen Fronten und jeder kann etwas dafür tun!